Friedrich und Schünemann-Lügen entlarvt:Über 100 Staatstrojaner-Einsätze bestätigt

Update 16.10.2011: Bundesinnenminister Friedrich erklärt im FAZ Interview, dass die bayrische Landesregierung über dem Gesetz steht:

“ Es gibt keine rechtliche Grauzone.(…) Es gibt keinerlei Hinweise, dass gegen Recht und Gesetz verstoßen wurde.Interviewer FAZ: Das Landgericht Landshut hat dezidiert die Auffassung vertreten, dass die Software in Bayern rechtswidrig angewendet wurde. Antwort Friedrich: Das Landgericht Landshut hat zu den Möglichkeiten der Quellen-Telekommunikationsüberwachung eine andere Rechtsauffassung vertreten als die bayerische Staatsregierung. Entscheidend ist: Wir müssen in der Lage sein, Kommunikation zu überwachen.“

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Bildquelle:sreenshot Tageschau.de 15.10.2011 14 Uhr

Eine beruhigende Botschaft kommt vom innenpolitischen Sprecher der CDU, Hans-Peter Uhl: Der Staat hackt sich mitnichten in die Computer seiner 82 Millionen Bürger. Neben diesem kindischen Strohmann-Argument erwähnt der Christdemokrat nebenbei  neue Erkenntisse, die kaum in Einklang zu bringen sind mit manchen Behauptungen verantwortlicher Innenminister in den letzten Tagen.
Uwe Schünemann, CDU (Innenminister Niedersachsen) am 13.10.2011 bei Phoenix:

“ Ich darf das für Niedersachsen sagen, wir haben es in den letzten Jahren zweimal eingesetzt. Und ich habe eine Schaltkonferenz gehabt der Unionsinnenminister und das war ungefähr die Regel, in Bayern ist etwas häufiger eingesetzt worden, aber in der Regel in den letzten Jahren zweimal.“

Tagesschau.de am 15.102011:

“ Die Behörden von Bund und Ländern haben offenbar in den vergangenen drei Jahren in rund einhundert Fällen Spionagesoftware eingesetzt. Vor diesem Hintergrund sprach der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU) von einer „unverantwortlichen Hysterisierung“ in der derzeitigen Debatte über so genannte Staatstrojaner. „Der Staat hackt sich mitnichten in die Computer seiner 82 Millionen Bürger“, sagte Uhl der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Bayern habe seit 2009 bei Verdacht auf schwere Kriminalität 25-mal Trojaner verwendet, dabei seien in fünf Fällen auch Screenshots, also Aufnahmen des Bildschirms, weitergeleitet worden. Bundeskriminalamt und Bundesverfassungsschutz setzten laut Uhl binnen drei Jahren ebenfalls 25-mal Spionagesoftware ein. Am Mittwoch hatte die Bundesregierung den Einsatz von Trojanern bei den Zollbehörden in 16 Fällen eingeräumt – in welchem Zeitraum ist unklar.(…) Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte die Bundesländer aufgefordert, die vom CCC enttarnte Spionagesoftware nicht mehr einzusetzen. Zunächst müsse geklärt werden, ob das Programm mehr könne, als gesetzlich zulässig sei. Unter anderem hatte Bayern eingeräumt, die umstrittene Version der Software verwendet zu haben. Die eingesetzten Trojaner sollen den Angaben zufolge in jedem Einzelfall den richterlichen Vorgaben entsprechend programmiert und dann zur sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung eingesetzt worden sein. Damit ist hauptsächlich das Abhören von Gesprächen, die über den Computer geführt werden, gemeint – beispielsweise Internettelefonie. Laut Uhl hatten alle Sicherheitsbehörden zusammen seit 2009 etwa 35-mal pro Jahr Trojaner eingesetzt, “ um verschlüsselte Kommunikation am Computer abzugreifen „. (…) Laut einer Statistik des Bundesjustizministeriums (BMJ)  ordneten Richter im vergangenen Jahr bundesweit 20.398-mal an, die Telekommunikation von Verdächtigen zu überwachen – wobei das Abhören von Handyanschlüssen mit 16.510 Anordnungen am häufigsten betroffen war. Die Überwachung des Internetdatenverkehrs wurde laut BMJ 997-mal richterlich angeordnet. Wie viele Verdächtige tatsächlich betroffen waren, ist unklar, da das Ministerium lediglich die Zahl der Ermittlungsverfahren angibt: 5493. Zu der Telekommunikationsüberwachung kommt noch die Erfassung der so genannten Verkehrsdaten. Die beinhalten nicht den Gesprächsinhalt, sondern wer mit wem wann und von wo aus telefonierte. Für 2010 weist das BMJ insgesamt 12.576 richterliche Anordnungen zur Verkehrsdatenerfassung aus. Doch die Zahl aller Telekommunikationsüberwachungen in Deutschland ist mit diesen beiden Statistiken immer noch nicht komplett. Denn das BMJ erfasst nur Strafverfahren, die Arbeit der Nachrichtendienste wie Verfassungsschutz, Militärischen Abschirmdienst oder Bundesnachrichtendienst ist dort unberücksichtigt. Sie müssen keine Richter um Erlaubnis fragen, um Post zu öffnen, Telefongespräche zu belauschen und Internetdaten abzufangen, sondern Parlamentariergruppen: die so genannten G10-Kommissionen, die es auf Bundes- und Landesebene gibt. Allein Bundesverfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst und Bundesnachrichtendienst wurden 2009 von der G10-Kommission des Bundes 132 „Einzelmaßnahmen“ genehmigt. Davon direkt oder indirekt betroffen waren laut Bundestagsdrucksache 17/4278 insgesamt zwischen 728 und 847 Menschen. Doch dies gilt nur für die genannten Bundesbehörden. Hinzukommt die Zahl der Maßnahmen der Landesbehörden für Verfassungsschutz, die von den Parlamentariern der jeweiligen Landesparlamente kontrolliert werden.“

Entweder Uwe Schünemann kann nicht rechnen oder er hat die Unwahrheit gesagt:

Trojanereinsätze für alle Behörden zusammen in den letzten drei Jahren: 35 Fälle pro Jahr=105. Abzüglich 16 Fälle Zollbehörde, abzüglich 25 Fälle BKA und Verfassungsschutz bleiben für die Länder 64 Fälle übrig. Das macht durchschnittlich (in der Regel) sieben Fälle (bei 9 CDU Innenministern aus Schünemann’s Schaltkonferenz) in den letzten Jahren und nicht zwei. Den bayrischen Beitrag (25 Troajanereinsätze) als „etwas häufiger“ zu bezeichnen macht die falschen Behauptungen von Schünemann nicht besser. Und hieß es nicht der Bund habe den Trojaner gar nicht eingesetzt ?
Klaus Peter Friedrich am 10.10.2011:

“ Es gibt bislang keinerlei Hinweise, dass die Sicherheitsbehörden im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern die vom CCC untersuchte Software eingesetzt haben.“

Warum gibt es diese Hinweise erst seit heute ? Warum konnte Friedrich nicht schon vor fünf Tagen darüber informieren welche Software seine Behörde einsetzt ? Warum will Friedrich erst klären, ob das Programm mehr kann als gesetzlich zulässig ist, wenn selbst Schünemann auf Phoenix erklärt, dass die DigiTask- Software für Bayern und das BKA  Online-Durchsuchungen ermögliche. Und warum will Friedrich überhaupt prüfen lassen, wenn er die gesetzlich nicht zulässigen „Zusatzfuntionen“ des  Bayerntrojaners heute in einem Interview verteidigt ?

Image and video hosting by TinyPicBildquelle:Screenshot 15.10.2011 Bundesministerium des Inneren

FAZ:

“ Der Minister verteidigte auch die umstrittene Funktion des in Bayern verwendeten Trojaners, vom Nutzer unbemerkt weitere Module nachzuladen, mit denen die Überwachung ausgeweitet werden könnte. „Wir brauchen diese Nachladefunktion, um uns den normalen Updates auf dem Zielcomputer anpassen zu können“, sagte Friedrich.(…)Der Chaos Computer Club (CCC) hatte in der vergangenen Woche eine Analyse des in Bayern verwendeten Trojaners veröffentlicht und auf die Nachlademöglichkeit aufmerksam gemacht. Der Bundesinnenminister hält es nicht für notwendig, die Grenzen der sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung („Quellen-TKÜ“) rechtlich klarzustellen. „Es gibt keine rechtliche Grauzone“, sagte Friedrich.“

Update 16.102011: SPON hat neue Zahlen, die der gestrige Aussage von Uhl spezifizieren aber weiterhin Fragen zum Trojaner-Einsatz in den Ländern offen lassen. Außerdem wird deutlich wie flexibel die passgenaue Software eingesetzt werden kann, da auf einmal auch von Online Durchsuchung und nicht nur von Quellen-TKÜ die Rede ist. Interessant wäre auch zu erfahren was die Ergebnisse der Online Durchsuchung im Falle der militanten Islamisten ergeben hat und wie groß die Bedrohung für Leib und Leben bzw. die Gefährdung des Staates tatsächlich war :

“ Die Zahl der Einsätze von Trojaner-Programmen gegen mutmaßliche Kriminelle ist höher, als bislang bekannt. Nach einer vorläufigen Erhebung gab es in Bund und Ländern in den vergangenen Jahren mehr als 50 Anwendungen. Danach hat das Bundeskriminalamt (BKA) seit 2010 in sieben Fällen Trojaner für eine Online-Durchsuchung genutzt, die sich gegen militante Islamisten richteten. In weiteren 20 Fällen setzte das BKA die Spähsoftware für eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) ein, um Gespräche, Mails oder Chats zu kontrollieren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz nutzte Trojaner in vier Fällen, die Bundespolizei in einem. Das Zollkriminalamt verwendete die Technik 16-mal. Noch unklar ist die genaue Zahl der Einsätze in den Bundesländern. In den Behörden wird nun erwogen, die Software nicht mehr von privaten Unternehmen zu beziehen, sondern selbst zu programmieren. Entsprechende Software hat das BKA bereits für die Online- Durchsuchungen codiert. Das Projekt kostete insgesamt 680.000 Euro an Personal- und Sachkosten. Die Software könnte modifiziert auch für die Quellen-TKÜ angewendet werden. Am kommenden Donnerstag wollen die Innenminister von Bund und Ländern über die Zukunft des Trojaner-Einsatzes beraten.“

Christian Lindner schert sich nicht um die Salamitaktik der Innenminister und bringt es ausnahmsweise mal auf den Punkt:

“ Die konkrete Software ist tatsächlich problematisch. Die arbeitet wie eine Hausdurchsuchung, bei der die Polizei danach die Wohnungstüre für alle offen lässt, damit man sich bedienen oder gefälschte Beweise hinterlegen kann. Was zudem nicht geht, das ist das Fotografieren von Bildschirmen oder das Scannen von persönlichsten Daten auf Computern. Eine Software, die da nicht scharf abgrenzen kann, darf es nicht geben. Ob solche Trojaner überhaupt erforderlich sind, ist fraglich. Bei Telefonaten über den Dienst Skype gibt es bessere Wege. In jedem Fall könnten zukünftig unabhängige Stellen die Rechtmäßigkeit prüfen – ein Grundgesetz-TÜV für solche Software.“

Juristische Einschätzungen zur Quellen-TKÜ: – ein kleines Einmaleins (nicht nur) für Ermittlungsrichter (ijure.org)

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